Tibet – Tashi Delek!

3 10 2010

(Tashi Delek bedeutet soviel wie Willkommen auf tibetisch)

Die Vorfreude auf Tibet war gross. Zumal wir uns die „Deluxe“-Tour leisteten (zumindest für unsere Verhältnisse): Zusätzlich zu den üblichen Tibet-Sightseeing-Punkten hatten wir noch je eine Übernachtung am Nam Tso, einer der drei heiligen Seen, und beim Mount Everest Base Camp eingebaut. Das sollten unsere zwei Highlights werden. Das bedeutete, dass wir einerseits eine Zweier-Gruppe mit eigenem Guide und Fahrer bildeten und andererseits dass wir aufgrund der Höhe des Everest Base Camps (5200 MüM) zuerst nach Lhasa fliegen mussten um anschliessend über Land zurück nach Kathmandu zu reisen, mit dem Besuch des Everest Base Camps am Ende der Tour. In Lhasa galt es uns an die Höhe zu gewöhnen – und natürlich die sehenswerten Klöster, Tempel und Residenzen zu besichtigen.

Wir haben die Eckdaten unserer Reise im „Reiseprogramm“ zusammengefasst und hier auch das Wissenswerte zu den einzelnen Besichtigungspunkten aufgeführt. Dafür haben wir dann im Bericht darauf verzichtet, dies nochmals auszuführen – er wird so schon lange genug 😉

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Reiseprogramm:

1. Tag: Flug von Kathmandu nach Lhasa (3658 MüM)

2. Tag: Lhasa, Besichtigungen:

  • Kloster Drepung: 1416 gegründet, gilt als eine der „drei Säulen des Staates“ neben Sera und Ganden. Beherbergte einst 10’000 Mönche. Ehemaliger Sitz des 5. Dalai Lamas (heute haben wir den 14. Dalai Lama).
  • Sommerpalast Norbulinka (Juwel-Garten): Sommerresidenz der Dalai Lamas, 1754 erbaut.
  • Klosterstadt Sera: 1419 gegründet, gilt als eine der „drei Säulen des Staates“ neben Drepung und Ganden. Beherbergte einst 6600 Mönche, heute noch rund 800.

3. Tag: Lhasa, Besichtigungen:

  • Potala Palast: Wintersitz des Dalai Lamas, erbaut vom 5. Dalai Lama mit Beginn 1643. Der weiss getünchte Teil des Palastes diente als Verwaltungsgebäude und Lager. Der rote Palast beherbergte die Wohnräume des Dalai Lamas, Versammlungshallen und zahlreiche Reliquienschreine und Statuen. Da der Dalai Lama während der Kulturrevolution 1959 nach Indien ins Exil flüchten musste, wird der Palast heute nur noch von Pilgern und Touristen besucht.
  • Jokhang-Tempel: wichtigstes Pilgerziel in Tibet, erbaut 642-653
  • Barkor-Platz: Vorplatz zum Jokhang; Markt, Begegnungsstätte und heiliger Ort in einem; Treffpunkt für verschiedene tibetische Stämme

4. Tag: Weiterfahrt zum Nam Tso (höchstgelegener Salzsee der Welt, 4718 MüM) via Lhachen La (Pass, 5190 MüM) und kleine Wanderung am Nam Tso

5. Tag: Rückfahrt nach Lhasa, ohne Programm

6. Tag: Weiterfahrt nach Gyantse (4040 MüM) via Khampa La (Pass, 4799 MüM), Yamdrok Tso, Karo La (Pass, 5010 MüM) mit Blick auf den Gletscher Nöjinkangsa (7191 MüM)

7. Tag: Weiterfahrt nach Shigatse (3836 MüM), Besichtigungen:

  • Dzong Gyantse: erbaut 1365, war die Burg Verwaltungs- und Regierungssitz des Gouverneurs und thronte hoch über Gyantse. 1904 wurde die Burg von den Briten praktisch zerstört.
  • Kloster Pälkhor und Kumbum in Gyantse:
    Pälkhor wurde 1390 gegründet, einst Klosterstadt und ökumenisches Zentrum mit 16 autonomen Klöstern mit drei Schulrichtungen.
    Das Kumbum wurde 1427-39 erbaut und ist ein begehbares dreidimensionales Mandala, ein Monument tibetischer Architektur über 5 Stöcke. Es stellt den buddhistischen Erlösungsweg bis ins Nirvana dar und kann symbolisch durchlaufen werden.
  • Kloster Tashilhunpo: 1447 gegründet, Sitz des Panchen Lama und Grabstätte des 4 und 10 Panchen Lamas. Die Grabmäler des 5.-9. Panchen Lama wurde während der Kulturrevolution zerstört, an ihrer Stelle steht eine 10 m hohe Stupa (1989, 1500 kg Silber und 108 kg Gold). In der Maitreya-Kapelle steht eine 26 m hohe Statue des Zukunftsbuddha (1906-16, aus 11’000 kg Bronze und 229 kg Gold). Beherbergte einst 5000 Mönche, heute noch rund 800 (und 100 Novizen). Heute ist es das grösste aktive Kloster Tibets.

8. Tag: Weiterfahrt nach Shegar via Tsuo La (Pass, 4520 MüM)

  • Besichtigung Kloster Sakya: Sakya bedeutet „graue Erde“. Das Kloster ist eine der „vier großen Schulen“ des tibetischen Buddhismus.

Anschliessend Weiterfahrt über Gyatchu La (Pass, 5220 MüM) nach Shegar.

9. Tag: Weiterfahrt zum Kloster Rombuk (4980 MüM) – dem höchstgelegenen Kloster der Welt – via Pang La (Pass, 5120 MüM), Wanderung zum Mount Everest Base Camp (5200 MüM).

10. Tag: Weiterfahrt nach Zhang Mu (2350 MüM) via Lamna La (Pass, 5120 MüM), Dingri (4340 MüM), Lalung La (5050 MüM) und Nyalam (3750 MüM).

11. Tag: Überquerung der Grenze nach Nepal, Weiterfahrt nach Kathmandu.

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Eine Vorbemerkung zum Brichtli:
Im Anschluss an den Bericht findet ihr einen Exkurs zur Situation in Tibet mit den wichtigsten Punkten zu Bevölkerung, Bildung, Geschichte und Umwelt.

Als zusätzliches Extra haben wir aus den Diskussionen mit unserem Guide einen Abschnitt geschrieben, in dem wir zusammenfassen, was es für ihn bedeutet, als Tibeter in Tibet zu leben. Dieser ist ebenfalls ganz am Ende angefügt.

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Aber jetzt geht’s los:

So starteten wir also mit dem Flug nach Lhasa unseren Trip nach Tibet, an der Mount Everest-Bergkette vorbei. Am Check-In fragten wir deshalb extra nach den Plätzen auf der Seite mit Bergsicht (Plätze A/B) und waren happy als uns dieser Wunsch erfüllt wurde. Weniger happy waren wir dann, als wir die Nebeldecke erblickten: einzig die Spitze des Mount Everest ragte aus ihr hervor, leider sahen wir nicht mehr 🙁 Jänu, wir hatten ja noch eine weitere Chance… Am Flughafen in Lhasa mussten wir durch die ganze Maschinerie der chinesischen Zollabfertigung und wir waren ziemlich erleichtert, als wir auf der anderen Seite bereits unsere Guide mit einem Schild mit unseren Namen erblickten. Und so ging es dann nach Lhasa mit dem einzigen Programmpunkt des Tages: „Akklimatisation“. Dies bedeutete konkret: viel Trinken, viel Schlafen und auch das Essen nicht vergessen. Während Sara sich schnell schlechter fühlte und starke Kopfschmerzen bekam, ging es mir relativ gut. Doch je später der Abend, desto schlechter fühlte ich mich und desto seliger schlief Sara…

Am anderen Tag dann: eine fidele Sara, ich mit starken Kopfschmerzen. Egal, mit unserem Guide besuchten wir als erstes das Kloster Drepung. Und bekamen gleich eine Einführung in die Welt des Tibetischen Buddhismus: er führte uns durch die Versammlungshalle der Mönche und zig Kapellen, zeigte uns die unzähligen Buddhas, Statuen der Dalai Lamas, Stupas etc. und zählte uns ihre Namen auf und für was sie standen bzw. was ihre Verdienste waren. Puuuhh, schon nach kurzer Zeit klingelten uns die Ohren und, ihr könnt es euch sicherlich vorstellen, wir waren hoffnungslos überfordert! Wie zwei aufmerksame Schülerinnen versuchten wir trotzdem seinen weiteren Ausführungen zu folgen, aber in Anbetracht der mit Statuen überfüllten Kapellen, des unaufhörlichen Informationsflusses und des starken Geruchs nach den allgegenwärtigen Butterwachs-Kerzen, gelang uns dies nicht wirklich. So nickten wir brav an den Stellen, wo wir dachten, dass es angebracht wäre, versuchten weiterhin interessiert und verstehend dreinzublicken und folgten ihm auf den Fersen durch den Strom der Pilger und Touristen. So brachten wir die Besichtigung des Klosters hinter uns und bekamen einen ersten allgemeinen Einblick in die Klöster und Tempelanlagen von Tibet: die Kapellen sind eher düster und immer voll gepackt mit heiligen Relikten und Statuen, die Pilger bringen Butterwachs für die Kerzen mit und weisse Schärpen und kleinere Geldscheine werden als Opfergabe dargebracht. Die Luft ist stickig und riecht stark nach diesen Butterwachs-Kerzen. Und immer wird man auch begleitet vom Gebetsmurmeln der Pilger und Mönche.
Nach diesen ca. 2 Stunden Klosterbesichtigung waren wir bereits schon groggy. Und mir ging es nicht wirklich besser, so dass ein Aspirin Abhilfe schaffen musste. Und, nicht zu vergessen: Trinken war auch weiterhin sehr wichtig, aber waseliwas muss man wohl, wenn man viel trinkt? Genau, aufs stille Örtchen. Nun, genau dahin will man aber in Tibet sowenig wie möglich, das können wir euch versichern!
Nächster Programmpunkt war der Sommerpalast Norbulinka des Dalai Lamas, den wir nach der Übersättigung an Informationen in Drepung zügig hinter uns brachten. Danach ging es weiter zur Klosterstadt Sera, eines der drei wichtigsten Klöster in Tibet. Hier wurden wir in weitere Details des Buddhismus eingeführt, sahen Mandalas, weitere Stupas, Buddhas usw.. Höhepunkt des Klosterbesuches aber war die tägliche Diskussions-Übung der Mönche, bei welcher wir zuschauen durften (wer mehr wissen will, kann googeln oder uns bei Gelegenheit fragen 😀 ). Den Rest des Tages liessen wir bei einem indischen Essen ausklingen und fielen todmüde ins Bett.

Am Tag 3 ging es mir wesentlich besser (der Schlaf hat genützt!) und wir starteten mit dem Besuch des Potala-Palastes, der Winterresidenz des Dalai Lamas. Unser Guide liess uns den Palast auf eigene Faust erkunden, weil er meinte, mit ihm würden uns die Aufpasser immer gleich weiterschicken und nach einer Stunde müssten wir bereits wieder draussen sein (gleiches sagte auch unser schlaues Buch, der Tibet-Führer). Alleine aber hätten wir kein solches Gehetze und da auch alles auf Englisch beschriftet sei, könnten wir es gut ohne ihn machen und vor allem in unserem eigenen Tempo. Da sagten wir natürlich nicht nein 😉 und freuten uns auf einen gemütlichen Rundgang, welcher allerdings, da waren wir uns einig, eher kürzer denn länger als eine Stunde gehen würde… Somit war unsere einzige Frage: sollten wir ihn jeder Illusion berauben, wenn wir schätzungsweise bereits nach 45 Minuten wieder draussen waren oder wo wollten wir unsere Runde in die Länge ziehen? Nun, die Antwort stellte sich am Ende als relativ einfach heraus: der Rückweg hinunter vom Potala-Palast zum Ausgang war ein schöner Spaziergang an der Sonne, mit herrlichem Blick über Lhasa und einer tollen Aussicht auf die umliegenden Berge, und so brauchten wir dafür in etwa gleich lang wie für den Rundgang, nämlich je ¾ Stunden 🙂 Übrigens, der Potala-Palast ragt über ganz Lhasa und ist absolut sehenswert. Er ist auf vielen Bildern von Tibet abgebildet und gilt als eines seiner Wahrzeichen.
Am Nachmittag besuchten wir den Jokhang-Tempel, Tibets wichtigstes Pilgerziel und Nationalheiligtum. Da wir bis dahin noch relativ „frisch“ waren, versuchten wir mit aller Ernsthaftigkeit den Ausführungen unseres Guides zu folgen, resignierten aber bereits nach einer kurzen Weile, da wir schlicht überfordert waren. Wer kann sich denn schon all diese Namen und Statuen und Geschichten merken??? So versuchten wir den Rundgang so entspannt wie möglich zu geniessen, nickten an den passenden Stellen und staunten einmal mehr, wie voll gepackt die einzelnen Kapellen waren, wie viele Pilger die Stätte besuchen und wie viel Geld sie spenden (sie werfen es einfach zur Statue oder klemmen es an die Absperrung).

Tag 4 dann war regnerisch – natürlich, denn unser Ausflug zum Nam Tso, dem himmlischen See, stand auf dem Programm. Trotzdem, was wir unterwegs von der Landschaft sahen, war eindrücklich, wurde aber durch den Nam Tso selbst und seine Berglandschaft rundum getoppt. Ein echtes Highlight! Nach unserer Ankunft in einem sehr einfachen Camp machten wir uns auf zu einer kleinen Wanderung auf den Hügel. Von dort aus hatten wir eine herrliche Rundumsicht auf die umliegenden 5- und 6-Tausender – leider eingeschränkt durch die vielen Wolken, darum konnten wir deren Gipfel höchstens erahnen. Wer übrigens denkt, die kleine Wanderung wäre ganz easy gewesen, der irrt gewaltig: auf 4700 MüM ist nichts mehr wirklich easy, und ganz sicher auch nicht das Schnaufen, speziell, wenn es bergauf geht. Also haben wir uns wieder an unsere Kili-Erfahrungen erinnert und sind schön „pole-pole“ hochgestiegen, Schritt für Schritt und immer mal wieder mit Pausen (natürlich nur zum Fotografieren 😉 ). Am nächsten Morgen wollten wir den Sonnenaufgang nicht verpassen und haben uns tatsächlich aus unseren warmen Schlafsäcken rausgequält in die Kälte. Nur leider vergebens, denn der Himmel hatte keineswegs aufgetan und war noch immer wolkenverhangen 🙁 So machten wir uns wieder auf die Rückreise nach Lhasa, mit den wunderschönen Bildern einer eindrücklichen Landschaft im Gepäck, die wir aber leider nie in der vollen Pracht gesehen haben.

Reisen in Tibet ist übrigens ein gutes Stichwort, denn abgesehen davon, dass man ohne Permit (Erlaubnis) von den chinesischen Hoheiten nirgends hinkommt (zusätzlich zum Tibet-Visum) und selbst Tibeter für manche Orte diese beantragen müssen (z.B. für das Everest Base Camp oder den Nam Tso), ist das Reisen mit dem Auto auch mit einigen Hürden versehen: So gibt es immer wieder Kontrollposten, an denen man anhalten und sich von der chinesischen Strassenpolizei einen Schein oder Stempel abholen muss. Oft wird einem dabei auch vorgeschrieben, wann man frühestens beim nächsten Checkpoint erscheinen darf, ansonsten droht eine Geldstrafe. An diesen Checkpoints stehen oder sitzen dann zwei, drei Uniformierte, die meistens recht gelangweilt in die Welt schauen. Kommt man aber ohne einen solchen Zettel (wie unser Fahrer auf der Rückfahrt, weil er ihn verloren hatte), dann gibt es kein Pardon und mit ausdrucksloser Miene wird einem erklärt, dass man wieder zurück muss um sich entweder einen Neuen zu holen oder den Verlorenen wieder zu finden. Unglaublich!

Zurück in Lhasa galt es uns auf unsere bevorstehende Jeep-Tour durchs Land vorzubereiten: Wir mussten unseren Proviant aufstocken, da wir nicht mehr sicher sein konnten, dass Sara auch immer vegetarisches Essen bekommen würde. Ausserdem galt es, uns mit genügend Trinkwasser auszurüsten, in den Höhen konnte es leicht viel teurer werden.

So starteten wir am 6. Tag unsere rund 7-stündige Weiterfahrt nach Gyantse: Auf dem Programm standen diesmal vor allem landschaftliche Höhepunkte: Der Yamdrok Tso, ebenfalls einer der drei heiligen Seen, liegt mit seinem türkisblauen Wasser wunderschön in der Landschaft eingebettet. Um zu ihm zu gelangen, muss man zuerst den Pass Khampa überqueren, welcher einem einen herrlichen Blick auf den See und die Umgebung ermöglicht. Auf der Weiterfahrt nach Gyantse passiert man danach den Karo La (La = Pass), mit Blick auf den Gletscher Nöjinkangsa. Was sollen wir weiter gross von der Natur vorschwärmen, wir wiederholen uns nur, es war wirklich sehr eindrücklich!

Deshalb zur Abwechslung vielleicht noch diese Beobachtungen, welche auch zu Tibet gehören: für ein Klo ohne Service zahlt man doch sage und schreibe bis zu 2 Yuan (ohne Service bedeutet, ihr könnt euch in euren wildesten Träumen ausmalen, wie es dann aussehen könnte und es ist mindestens noch zweimal schlimmer…) und das einfach, weil sich zwei tibetische Frauen davor stellen…
Für ein Bild mit einem Yak (tibetisches Zug- und Tragtier, Milch-, Woll- und Fleischlieferant) oder einem tibetischen Mastiff (Hirtenhund) zahlt man bis zu 10 Yuan, und vor Souvenirverkäufern oder bettelnden Kindern kann man sich kaum retten. Vor dem Hintergrund der chinesischen Repressalien (siehe unser Exkurs hier – klick) ist diese „Geldmacherei“ sicherlich zu relativeren und auch verständlich, allerdings kann es echt nervig sein (gut, in welchem Land nicht?).
Am Abend schliesslich erreichten wir Gyantse, wo wir, Touris und ein bisschen Heimweh-Schweizer wie wir sind, uns doch tatsächlich als erstes auf die Suche nach einem Internetkafi machten, um die Bundesratswahlen live auf einem online-Newsticker verfolgen zu können 🙂 Danach ab ins nächste Touri-Lokal, Magen füllen und anschliessend ab ins Bett.

Am nächsten Tag standen nämlich zwei weitere Klöster auf dem Programm (genau, wir sagen nichts mehr dazu). Nach einigen Diskussionen starteten wir aber wie von uns gewünscht mit der Besichtung des Dzong von Gyantse, der Burg. Zu sehen gab es nicht mehr viel von der Ruine, allerdings wurde man mit einem herrlichen Rundumblick auf Gyantse und Umgebung belohnt, wenn man die steilen Treppen und Burgleitern bis ganz nach oben hochkletterte. Weiter ging es mit dem Kloster Pälkhor und dem Kumbum, ein begehbares dreidimensionales Mandala auf 5 Stöcken (schaut euch die Bilder an). Anschliessend fuhren wir weiter nach Shigatse und besuchten dort das Kloster Tashilhunpo. Ihr könnt es euch vorstellen, wir sanken abends müde in unsere Betten!

Ja, und langsam näherten wir uns unserem zweiten Highlight, dem Mount Everest Base Camp. Dazu legten wir eine weitere Tagesreise bis nach Shekar zurück, einmal mehr durch Tibets schöne Landschaft und hohe Pässe und mit einem Abstecher zum Kloster Sakya (von dem wir nicht viel sahen, weil es Mittagszeit war und damit die meisten Kapellen geschlossen waren).

Am 9. Tag starteten wir früh, um gegen Mittag beim Kloster Rombuk und dem Everest Base Camp (EBC) einzutreffen. Auf dem Pang La auf 5120 MüM die erste Ernüchterung: eine dicke Nebelsuppe verwehrte uns den Blick auf den Mount Everest. Aber die Begeisterung wurde umso grösser, je näher wir dem Ziel kamen: der Nebel lichtete sich, der Himmel wurde stahlblau und der Berg rückte immer näher – das Wetter hätte nicht schöner sein können! Das Kloster interessierte uns natürlich nicht mehr gross und so fuhren wir gleich weiter zu unserem Nachtlager, einem Zeltcamp das in etwa in der Mitte zwischen dem Kloster und dem EBC lag. Nach dem wir „unsere“ Schlafstätte ausgesucht und etwas Warmes gegessen hatten, machten wir uns auf den Weg zum Base Camp. Da das Wetter so schön war, entschieden wir uns, den Weg zu Fuss zurückzulegen. Bald merkten wir aber, dass der Wind nicht ohne war, er fegte uns ganz schön um die Ohren und wir mussten richtiggehend gegen ihn ankämpfen! Egal, unsere Begeisterung war nicht zu bremsen 🙂 Nach etwa einer Stunde flottem Marsch – auf 5000 Meter Höhe!! – waren wir am letzten Kontrollpunkt (von 5) angekommen und ausser Puste. Wir mussten uns mit Pass und Permit anmelden und durften dann auf den Hügel klettern und den Mount Everest bewundern – näher kommt man als Tourist nicht an den Berg. Natürlich machten wir Foto um Foto, eines schöner als das andere (aber sie glichen sich wie ein Ei dem andern) 😉 Anschliessend ging es wieder zurück und im Zeltlager angekommen waren wir völlig erschlagen. Das Zeltlager übrigens wird von tibetischen Nomaden betrieben und man konnte sich ein Zelt aussuchen, in dem bis zu 6 Personen übernachteten. Die Zelte waren alle gross genug, dass man darin stehen konnte. Und hier wurde nicht nur geschlafen, sondern auch gegessen und gelebt. In der Mitte gab es einen Ofen, der bis zur Schlafenszeit beheizt wurde. Zum Glück, denn bei -3 Grad Aussentemperatur ist es im Zelt nicht wahnsinnig viel wärmer… Anschliessend gab es nur noch Schlafsack und Decken – und in unserem Fall Kappe, Schal und ein warmes Pyjama… Wir liessen den Rest des Tages ausplempern und krochen dann irgendwann in unseren Schlafsack.

Der letzte Tag begann dann mit keinem Blick auf den Everest, der Nebel machte uns einmal mehr einen Strich durch die Rechnung. Aber wir hatten ja am Vortag bereits viel von ihm gesehen. So machten wir uns auf zur zweitletzten Etappe bis zur chinesisch-nepalesischen Grenze. Der erste Teil war eine richtig wilde Jeep-Fahrt durch die tibetische Pampa, über Stock und Stein und wahlweise über ausgewaschene oder überflutete Schotterpisten. Danach ging es wieder auf schön geteerten Strassen über einen letzten Pass mit einem letzten Blick auf die umwerfende Bergkette. Und dann nur noch hinunter durch enge Schluchten an die Grenze. Hier eine letzte Übernachtung, bevor es dann über Grenze und von dort wieder zurück nach Kathmandu ging.

Tja, und schon war sie vorbei, unsere Tibetreise! Irgendwie verging die Zeit wie im Flug… Toll war’s, wirklich! Die Landschaft ist einfach umwerfend und die Erfahrung mit der Höhe auch sehr speziell.

Als nächstes starten wir zu unsere Trekkingtour im Annapurna-Gebirge, die wir dann zu Dritt absolvieren werden. Wir freuen uns schon riesig! … und werden euch dann wieder erzählen 🙂

Bis dänn, mached’s guet!
Sara & Tanja

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Exkurs zur Situation von Tibet:

Wir wollen uns hier nur auf die Eckdaten konzentrieren, insbesondere auch die Beziehung zu China, um ein besseres Verständnis für Tibet zu bekommen. Alles andere kann an anderer Stelle wesentlich fundierter nachgelesen werden. (Quelle: Tibet, Stefan Loose Travelhandbücher, 2009)

Einwohner: Tibet hat rund 2.7 Mio. Einwohner, davon sind 93% Tibeter. 80% der Bevölkerung lebt auf dem Land und davon sind rund 90% Analphabeten.

Bildung: Das Bildungssystem ist ganz auf die chinesische Doktrin ausgerichtet. Tibetisch gilt als Fremdsprache, die tibetische Geschichte und Kultur wird nicht gelehrt oder verunglimpft. Es besteht eine ethnische Diskriminierung von tibetischen Kindern durch illegale Schulgebühren oder höhere Gebühren für Schulmaterial. Der Besuch von höheren Schulen und Universitäten ist oft abhängig von persönlichen Beziehungen in die Schulbehörde oder die kommunistische Partei. Damit haben nur diejenigen Tibeter eine Chance auf dem Arbeitsmarkt, welche sich ganz den chinesischen Vorgaben unterwerfen.

Geschichte: Prägend für Tibet war die Einführung des Buddhismus als Staatsreligion im Jahre 779, welche in den Folge-Jahrhunderten mal von stärkerer, mal von schwächerer  Bedeutung war.
Im 14. Jahrhundert gewann sie unter der Ägide der Dalai Lamas wieder an Bedeutung und in diese Zeit fielen auch viele Klostergründungen, darunter Drepung, Sera und Tashilhunpo.
Der 5. Dalai Lama im 17. Jahrhundert war einer der grössten Staatsmänner Tibets und erreichte die Vereinigung der religiösen und weltlichen Autorität in Personalunion als Staatsoberhaupt über Tibet.
1906, nach einigen Auseinandersetzungen, nicht zuletzt mit Ansprüchen von Russland, Britannien und China, verlor Tibet seine Unabhängigkeit und China erhielt die Oberhoheit. Nach einer kurzen Phase der Unabhängigkeit, marschierte 1959 China erneut in Tibet ein und der 14. Dalai Lama musste flüchten. Im Anschluss wurden in der sog. Kulturrevolution 6000 Klöster zerstört und damit der Versuch gestartet, die Tradition Tibets auszumerzen. Die Tibeter wurde zu assimilierten Chinesen erklärt und 1965 die Autonome Region Tibet ausgerufen.
1978 änderte sich die Politik ggü. Tibet und den Tibeter wurden Mitspracherechte eingeräumt. Als Wiedergutmachung erfolgte eine Restaurierung von Klöster und Tempel.
Seit 1987 kommt es regelmässig zu anti-chinesischen Demonstrationen, welche jeweils blutig von China unterdrückt werden.
Aktuell ist für die Tibeter der 14. Dalai Lama ihr Oberhaupt, auch wenn er noch immer im indischen Exil lebt.

Umwelt: Tibet verfügt über grosse Bodenschätze, die durch die chinesische Regierung im grossen Masse ausgebeutet wurden und werden. So erfolgte eine massive Abholzung, welche zwischen 1950 und 1985 einen Rückgang des Waldbestandes von rund 45% zur Folge hatte. Der Bergbau wurde zur „Schlüsselindustrie“ erklärt und der Abbau von Mineralressourcen forciert. Die Folgen sind – neben der Plünderung der Rohstoffe – Umweltverschmutzung, Umweltschäden durch den Kahlschlag, Gefährdung tibetischer Lebensqualität durch chinesische Massenansiedlung und die Verschmutzung durch nuklearen Müll (der grösste Teil der chinesischen Atomindustrie befindet sich in Tibet).

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Diskussion mit unserem Guide:

Unser Guide gab uns während unseren Fahrten im Jeep auch bereitwillig Auskunft und so bekamen wir einen etwas besseren Eindruck davon, was es heisst, als Tibeter in seinem eigenen Land zu leben:

Während der Kulturrevolution flüchteten seine Eltern nach Indien, wo er geboren wurde und aufwuchs. Mit 30 entschloss er sich, nach Tibet zurückzukehren. Diese Entscheidung hatte für ihn und seine Familie einschneidende Konsequenzen: er musste seinen Pass abgeben und erhielt im Gegenzug einen chinesischen Ausweis, der es ihm allerdings nur erlaubt, in China zu reisen. Somit kann er aus China/Tibet nicht mehr ausreisen um bspw. seine Familie zu besuchen – ebenso wenig, wie übrigens seine Familie nach Tibet/China einreisen kann. Um eine Zulassung als Guide zu bekommen, musste er einen Test in Chinesisch ablegen. Da er aber kein Chinesisch kann, benötigte er entsprechende Beziehungen, um an seine Zulassung zu kommen. Nur so ist es ihm heute möglich, als Reiseleiter und Tourguide offiziell zu arbeiten.
Die chinesische Regierung spioniere die Tibeter regelrecht aus, meint er. Dies hatte zur Folge, dass er persönliche Gespräche nur im Jeep mit uns führte. Er glaubt und ist der Überzeugung, dass auf öffentlichen Plätzen ebenso wie in den Klöstern und Tempel Kameras und Mikrofone die Gespräche aufzeichnen, ebenso wie sich chinesische Spione unter die Touristengruppen mischen und die Gespräche mitverfolgen und gegebenenfalls den Hoheiten melden. Im Umgang mit Chinesen und den chinesischen Behörden gebe es deshalb nur eine Verhaltensweise: ruhig zu sein um möglichst nicht aufzufallen und damit keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Bei den Unruhen von vor 2 Jahren seien im chinesischen Fernsehen systematisch nur die Angriffe von Tibeter auf chinesische Militärs und Einwohner gezeigt worden. Dabei hätten Chinas Militär tibetische Mönche und Nonnen regelrecht hingerichtet und qualvoll sterben lassen. Diese Seite hätte man in den offiziellen Medien allerdings nie zu sehen bekommen.
Für die Reise mit uns mussten er und unser Fahrer für gewisse Teilgebiete sich Bewilligungen zur Einreise holen (z.B. das Mount Everest Base Camp), und an diversen Checkpoints mussten sie aussteigen und die Dokumente zeigen und kontrollieren lassen (teilweise ebenso wie wir unsere Pässe und Permits zeigen mussten). Bei der Anfahrt zum letzten Grenzort Zheng Mu gab es seit einigen wenigen Tagen einen neuen, zusätzlichen Checkpoint, den weder unserer Fahrer noch der Guide kannte.

Anmerkung: Dieser Abschnitt beruht auf unserer mündlichen Konversation in Englisch über mehrere Tage hinweg. Wir haben die einzelnen Gespräche zu einem Ganzen zusammengesetzt, übersetzt und sowenig wie möglich mit gestalterischen Freiheiten versehen. Die Beschreibung ist somit auch sehr subjektiv aus der Sichtweise unseres Guides und muss sich nicht zwingend mit anderen Erfahrungen decken. Trotzdem: falls Experten unter Euch Unstimmigkeiten entdecken, bitten wir euch, uns das zu verzeihen. Hinweise nehmen wir gerne entgegen und werden, wo notwendig, entsprechend berichtigen.